
Heute sind es genau vier Monate, seit Oryana die Welt verlassen hat. Ein Tag, den wir mit vielen Tränen begossen haben.
Du bist geblieben. Tapfer. Mutig auch. Deine Schwester fehlt dir jeden Tag. Wie schmerzhaft es ist zu sehen, wenn du alleine am Meer spielst, oder beim Fussballspiel eine Kusshand in den Himmel wirfst, oder am Abend im Bett einen Spruch für sie sagst. Heute hast du dazu sogar Bewegungen herausgefunden. Am Schluss: Guet Nacht du Liebi. I vermisse di. Du fälsch überall. Seit langem hast du heute wieder einmal geweint, dich «ausgeweint» wie du das sagst.
Schwer ists, wenn du sagst, du möchtest deinen Weg nicht zu Ende gehen, wenn es so lange geht, bis du deine Schwester wieder siehst. Dann würdest du lieber sterben. So deine Worte. Wie gut ich dich doch verstehe, und trotzdem musst du deinen Weg machen. Für dich. Ohne sie. Mit ihr als Sternkind.
Manchmal malen wir uns gemeinsam aus, was sie tun oder sagen würde. Zum Beispiel, dass sie dir nachts, wenn niemand es fühlt, einen Stern auf die Stirn malt. Und heute hast du mir gesagt, wie es nicht «luschtig» ist, ohne sie an den Basar zu gehen. Überall wollte sie einkaufen, Lebkuchen bemalen (und mittendrin hat sie abgebissen), Glücksfischen (das noch zu schwierig war) und die Geduld beim Kerzenziehen, die sie wirklich schon hatte. So hat sie auch letztes Jahr eine Kerze minutiös bemalt. Fast in einer heiligen Stimmung. Und dann wollte sie draussen am Baum hängen.
Du wirst deinen Weg finden. Aber er ist schmerzhaft. Sie war dir so nahe. Immer. So wie Nora sagte: sogar im Kindertanzen konnte sie dein Bein oder dein Tshirt keine Minute alleine lassen. Fröhlich lachend lief sie dir nach, hielt sich an dir, bewunderte dich, bis sie ermahnt wurde, dich einmal für ein paar Minuten alleine zu lassen.
Weltkind mit Sternenschwester, das bist du. Und doch, einmal hast du gesagt, du möchtest doch gat nichts werden, sondern einfach Mensch. Und sie wollte «Sachensucherin» werden. Das werdet ihr gemeinsam schaffen. Da bin ich sicher.
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